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Der Wussegk – Flucht in den Unterspreewald

Wer in Lübben den Kahn besteigt, um in den Unterspreewald zu fahren, sollte nicht versäumen, von Schlepzig aus eine Wanderung zum Wussegk zu unternehmen. Allerdings ist für den Weg in das Naturschutzgebiet die ausdrückliche Genehmigung einzuholen, und es sind festes Schuhwerk oder Gummistiefel mitzunehmen. Auf dem Wussegk, wie das Gelände unweit von Schlepzig heißt, kann man den sogenannten Huttenstein besichtigen. Warum steht mitten in diesem unwegsamen Gelände ein Gedenkstein?

Der innere Unterspreewald. Bild: J.-H. Janßen

In der Zeit des 30- jährigen Krieges litten die Menschen der Stadt Lübben und ihrer Umgebung unter Verfolgung, Plünderung, Drangsal und Pest. Nachdem der Landvogt von Promnitz sein Markgrafentum verlassen und sich auf seine Güter in Posen zurückgezogen hatte, flüchteten auch die Justiz- und Verwaltungsbehörden aus der Stadt Lübben und suchten im Unterspreewald Schutz. Von dort aus leiteten sie die Geschicke des Markgrafentums, so gut es zu jener Zeit möglich war. Nur der evangelische Pfarrer Ramus verließ die Stadt nicht, er spendete den Kranken und Bedrängten Trost und erbat bei den feindlichen Heerführern, die Lübben durchzogen, Gnade für die Stadt und ihre Bewohner.

In Berichten über jene Zeit ist zu lesen: „Im Jahre 1622 brachen kaiserliche Horden ein. Sie zeigten sich als lebendige Teufel, hieben alles nieder, schändeten Weiber, Jungfrauen, Wöchnerinnen und Matronen auf viehische Weise, brateten Menschen in Backöfen, schütteten das Getreide in den Mist, so daß die Tyrannei nicht genug zu beschreiben ist.“ Auch in den Folgejahren wurde Lübben und seine Umgebung wiederholt von den kaiserlichen Truppen so schwer heimgesucht, daß die Stadt und ihre Bewohner völlig verarmten. Wer konnte, flüchtete vor den plündernden und mordenden Kriegshorden in das unwegsame Gelände des Spreewaldes. Es wird be richtet, daß die Hungersnot so groß gewesen sei, „… daß Soldaten Pferde und Hunde schlachteten, um ihren Hunger zu stillen“.

Wegen der drohenden Gefahren und der trostlosen Zustände im Lande wurden von der Oberamtsregierung tägliche Betstunden angeordnet. Als Pfarrer Ramus 1640 starb, fand sich für die nächsten Jahre kein Geistlicher, der seine Aufgabe in Lübben übernehmen wollte. Erst 1643 kam

Die Dorfkirche in Schlepzig. Bild: J.-H. Janßen

Georg Hutten als Official und späterer Generalsuperintendent nach Lübben. Die Stände der Niederlausitz waren dem jungen Geistlichen, der 1642 sein Studium in Wittenberg beendet hatte, sehr zugetan. Georg Hutten war 1615 als Sohn des Rechtsgelehrten Johannes Hutten und seiner Ehefrau Anna, Tochter des Bürgermeisters, in Guben geboren worden. Die Kriegswirren ließen jedoch keine geordnete Gemeindearbeit und Gottesdienste in Lübben zu, so daß Hutten seine Gemeinde in das unwegsame Gelände des Unterspreewaldes, eben auf den Wussegk, führte. Dort hielt er Gottesdienste und Betstunden bis 1645 ab.

Nach den Fundamenten zu urteilen, die man in späterer Zeit auf dem Wussegk fand, haben sich dort ein kleines Notkirchlein und wahrscheinlich ein bescheidenes Wohnhaus befunden. Seine Aufgabe sah Hutten nicht nur in der seelsorgerischen Arbeit, sondern auch darin, das Kirchen- und Schulwesen wieder aufzubauen. Feuersbrünste und Kriegswirren hatten Archive und Materialien vernichtet, das Kirchenwesen und seine Besitztümer mußten neu geordnet werden. Gelder für den Bau von Schulen und Pfarrhäusern waren zu beschaffen und die gesamte Arbeit in diesem Bereich neu zu regeln. Auch für die kleine Gemeinde Schlepzig, unweit vom Wussegk, sorgte Hutten. Seine Fürsprache bei der Oberamtsregierung und Kollektengelder halfen mit, daß die Kirche, Schule und das Pfarrhaus wieder aufgebaut werden konnten. Die Gemeinde Schlepzig vergaß nie, was Georg Hutten für sie und die Bewohner des Spreewaldes in der größten Notzeit getan hatte. 1904 wurde auf Wussegk ein Denkmal für ihn errichtet. Auf der Vorderseite des schlichten Sandsteines war zu lesen:

Die Paul-Gerhardt-Kirche in Lübben. Bild: J.-H. Janßen

„Johann Georg Hutten, geb. zu Guben am 24. Juni 1615, gest. zu Lübben, den 7. Februar 1683. Hebr. 13, V. 7: Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach.“ – Rückseitig stand geschrieben: „Hier auf Wussegk hielt in großer Kriegsdrangsal 1643-1645 Johann Georg Hutten, erster Generalsuperintendent des Markengrafentums Niederlausitz, für die Stände und die deutsche Gemeinde aus Lübben, welche zahlreich in den Spreewald geflüchtet, evangelischen Gottesdienst. Ps. 5, 12, den opferwilligen Vätern, den treuen Bekennern des heiligen Evangeliums in Dankbarkeit gewidmet: Die Kirchgemeinde Schlepzig 1904“. In späteren Jahren wurde der verwitterte Sandstein durch ein schlichtes Denkmal aus schwarzem Marmor ersetzt. Unweit seines ehemaligen Amtsbruders, Paul Gerhardt, fand Georg Hutten im Ostchor der Lübbener Hauptkirche 1683 seine letzte Ruhestätte.

 

 

Text: Brigitte Haß, erstmals erschienen in der Ausgabe Nr. 30 der DIE MARK BRANDENBURG, 1998

Bilder von J.-H. Janßen, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons


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