Waldbienenzucht – ein vergessenes Handwerk in Brandenburg
Honig und Wachs, die Gaben der Bienen, hatten einst weit größere Bedeutung für die Menschen, diente der Honig statt des Zuckers – der Rohrzucker erschien erst 1750 auf der Frankfurter Messe – doch hauptsächlich zum Süßen von Speisen und Getränken, besonders von Bier und Met. Er wurde sogar zu Wein vergoren. Das Wachs fand größtenteils bei der Kerzenherstellung Verwendung. Nach den Wachsbleichereien zeigten Kirchen und Klöster Interesse. Üblich war die Wachsabgabe an die Kirche, meist ein Pfund, wenn die Absicht bestand, Lehrling, Geselle oder Meister zu werden. In Müllrose musste der Pächter des Katharinensees sechs Pfund oder den entsprechenden Geldwert als Pacht an das Gotteshaus zahlen. Jeder Imker gab ein Wachslicht auf den Altar. Noch im Jahr 1624, als die Bienenzucht in ihrer damaligen Form bereits langsam zurückging, entschied das Gericht, von jeder Zeidelheide ein halbes Pfund Wachs als ständigen Zins an die Müllroser Kirche abzuführen.
Zeidelheide, was bedeutet das?
Hier hatten Bienenvölker seit alter Zeit ihre Wohnungen, Hohlräume, die ihnen der Mensch meist in mächtigen, möglichst alleinstehenden Kiefern bereitete. Sie waren viereckig, oft einen halben Meter tief und mehr als einen Meter hoch. Nach der Fertigstellung lockten Wachsausstriche die Schwärme an. Hatte ein solcher sich häuslich eingerichtet, verschloss ein Brett mit Flugloch die künstliche Höhlung, genannt Bute oder Beute, den Baum Beutbaum oder den Mann, Beuter. Die Bienenwohnungen selbst, in der Regel mit Kenn- oder Eigentumsmarken versehen, von denen es oft mehrere auf einem Baum gab, waren durch Vorrichtungen gegen Angreifer von unten geschützt. War die Beute von den Bienen ausgebaut und vollgetragen, stieg der Beutner mithilfe des Steigestricks an der Kiefer empor, um den Honig mit dem besonderen Zeidelmesser herauszuschneiden oder auszuzeideln. Deshalb nannte man ihn auch Zeidler, so wie der Bienenwald Zeidelheide oder Zeidelweide hieß. Vorher mussten aber die Bienen durch den Rauch des im Topf schwelenden Feuers vertrieben werden. Leicht entstanden bei Unachtsamkeit Waldbrände. So lesen wir in der „Brandenburgischen Holzordnung“ von 1610: „Die Zeidler, so auf unseren Heiden zeideln, sollen kein Feuer außerhalb der zugedeckten Töpfe auf und von den Heiden führen, damit ihres Feuers halber uns kein Schaden widerfahre.“
Schon in den alten Dokumenten, wie der Seelower Urkunde vom 7.3.1252 sind neben der Jagd und Fischerei Honigbeuten genannt. Auch im Landbuch Karl IV. (1375) finden Zeidler Erwähnung. 1460/61 gab es im Bereich des späteren Müllroser Kreises in Müllrose, Berkenbrück, Kienbaum und Brieskow Waldbienenzucht.
Bürgerlichen, geistlichen und adligen Grundherren oder den Städten gehörten die bezeidelten Wälder. Die Anzahl der Beuten war begrenzt. So stand den Herren von Birkholz 1368 in der Fürstenwalder Stadtheide das Recht zu, 17 Schock – das sind 1020 Beuten – herzurichten. Jährlich drei Tonnen Honig bekam die Stadt am Burchardstage (11. Oktober) von den Zeidlern aus Markgrafpieske und Spreenhagen als Zins. Die Stadtväter selbst ließen auf eigene Rechnung 187 Beuten bewirtschaften. Es galt, wie bei der Übergabe von Stern und Schenkungen vielfach erwähnt, als Herrenrecht. Bezüglich der Zeidlerei in dem Neuzeller Klosterhof Krebsjauche (Wiesenau) lesen wir in einem Erbbuch aus dem 15. Jahrhundert: „Dy zideler ader dediczen, die in der starastien zur Crebijuchen gehoren, dy mogen iczlicher uft der Melrasischen heden alle yar 5 nuwe buten machen.“
Haupterntegebiete lagen in den umfangreichen Neuzeller Stiftsforsten, die sie gegen Honigabgabe nutzen durften. Müllroser Zeidler übten ihre Tätigkeit vorwiegend in den Wäldern der hiesigen Familie von Burgsdorff und in der Schwarzberheide aus. Jene gehörte bereits zur Herrschaft Beeskow-Storkow, weshalb ihnen dortige Zeidlerrechte Streitigkeiten bereiteten. Der Besitzer der Forsten kassierte ebenfalls Honigpachten. Überschüsse an Wachs und Honig wurden an markttagen feilgeboten. Auf den Frankfurter Messen setzte man hiervon erhebliche Mengen ab. Die dortige Stadtheide unterlag ebenfalls der Zeidlerei.
Ein altes Handwerk – und Anlass zum Feiern
In unserer Gegend rechnen die Zeidlerinnungen der waldreichen Stadt Fürstenwalde vermutlich zu den ältesten beruflichen Vereinigungen. Weite Kunde ging von den alljährlichen Zusammenkünften der Bienenzüchter in Kienbaum am linken Ufer der Löcknitz aus. Das Dorf gehörte bis 1816 zum Lebuser Kreis. An jedem 11. Oktober trafen sich hier die Zeidler aus „Fürstenwalde, Storkow, Copenigk und Beßskau“. Zu diesem Zeitpnkt lieferte die Geemeinschaft ihre Abgaben an den Kurfürsten (4 Tonnen Honig oder 36 Taler). Die Mitgliederzahl wurde 1680 mit dreißig beziffert. Schlemmereien umrahmten die mehrtägigen Veranstaltungen, auch der Landesherr ließ eine Tonne Bier mit Brot und Erbsen durch das Amt Fürstenwalde übermitteln. Auch Rechtsstreitigkeiten galt es zu regeln, denn Übergriffe auf fremde Beuten und Schwärme waren keine Seltenheit. Sonderliche Strafen warteten auf den Verurteilten: Er musste z. B. gebunden hinterm geheizten Ofen schmachten. Fanden sich Mitleidige und linderten die Qualen mit Bier, stand zur Strafe die Lieferung einer Tonne des Gebräus festgeschrieben. Auch bei den Zeidlerzusammenkünften in Wiesenau ging es am Johannistage hoch her. Zunächst taten alle fromm und sanft, denn der Pfarrer aus dem benachbarten Lossow kam und predigte. Dann begann das gewaltige Essen und Zechen, wobei ein ganzer fetter Ochse in die Leiber wanderte.
Erst im Zuge der Gemeinheitsteilung fand das alljährliche Fest durch Ablösung seine Erledigung. In der heutigen Wiesenauer Zeidelkirmes nimmt der alte Brauch lebendige Gestalt an. Auch leben Erinnerungen an die Waldbienenzucht in Personennamen wie Zeidler oder Beutner fort. Im Oderbruch oder bei Hoppegarten existieren Siedlungen namens Bienenwerder. Beim Dörfchen Kienbaum liegt die Vermutung nahe, den Namen von seiner eindrucksvollsten Kienbeute oder Beutekiefer zu haben. In unserer Gegend verblühte die Waldbienenzucht mit dem Dreißigjährigen Krieg. Ursachen dafür liegen in den neuen Bewirtschaftungsmethoden der Forsten. Von den damaligen 100.000 Bienenvölkern der Mark Brandenburg lebte nicht ein einziges mehr in Waldbeuten. Reste stellte die Behörde in den folgenden Jahren unter Schutz.
Text: Siegfried Lange, erstmals erschienen in Ausgabe Nr. 17 der DIE MARK BRANDENBURG, 1995
Bild: wikimedia commons
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